Der Regen prasselte in schweren Tropfen auf die gepflasterten Straßen von New Orleans. In der Ferne leuchteten die Laternen des French Quarter, warfen flackernde Schatten auf die Fassaden der alten Gebäude. Es war eine Stadt, die nie wirklich schlief – voller Musik, voller Leben. Und dennoch: Lestat de Lioncourt spürte nur die Nacht.
Er stand auf dem Balkon seines Anwesens, ein Glas Wein – rein zur Ästhetik – in der Hand, während sein blonder Schopf vom Wind zerzaust wurde. Das war sein Reich, seine Bühne. Doch heute fühlte es sich anders an.
Etwas veränderte sich.
Ein alter Feind, ein neues Spiel
Er hörte die Schritte, lange bevor sich die Tür öffnete.
„Lestat.“
Die Stimme war sanft, dunkel, mit einem Hauch von Verachtung.
„Marius.“
Der alte Römer trat aus dem Schatten. Seine Augen, unergründlich wie immer, musterten Lestat mit der Ruhe eines Gelehrten.
„Du hast dich lange verborgen gehalten.“
Lestat lachte leise. „Verbergen? Ich? Kaum. Ich habe nur beschlossen, meine Aufmerksamkeit auf… andere Dinge zu lenken.“
Marius schloss die Tür hinter sich. „Die Welt hat sich verändert, Lestat. Es gibt Dinge, die sich deiner Aufmerksamkeit nicht entziehen sollten.“
„Ach, Marius, immer mit deiner Weisheit. Sag mir doch gleich, was du willst.“
Marius zögerte. Dann: „Etwas ist erwacht.“
Lestats Blick verfinsterte sich.
„Etwas Altes.“
Das Erwachen des Unbekannten
Sie verließen New Orleans in derselben Nacht.
Lestat hatte viele Leben gelebt, war durch Jahrhunderte gewandert, hatte Könige und Götter gesehen. Doch was Marius ihm erzählte, ließ selbst ihn erstarren.
„Es ist kein Vampir. Es ist älter als das. Es schläft unter Rom. Und es erwacht.“
Lestat lehnte sich in seinem Ledersitz zurück und grinste. „Klingt nach einem Abenteuer.“
Marius‘ Gesicht blieb ernst. „Es könnte das Ende sein.“
„Dann sollten wir es aufhalten, nicht wahr?“
In den Katakomben Roms
Die Luft unter den Straßen Roms war feucht, stickig. Die alten Gänge waren längst vergessen, von der modernen Welt verdeckt. Doch sie waren nicht leer.
Etwas rührte sich in der Dunkelheit.
Lestat spürte es, bevor er es sah – ein Zittern in der Luft, eine Macht, die sich langsam entfaltete.
Dann hörte er die Stimme.
„Lestat…“
Er erstarrte. Sie klang… vertraut.
Er drehte sich zu Marius. Doch der Römer war ebenfalls regungslos.
Die Schatten verdichteten sich. Und aus ihnen trat eine Gestalt.
Eine Frau.
Mit Haut so blass wie Marmor, mit Augen, die das Universum zu enthalten schienen.
„Wer…?“
Ein Lächeln, so sanft, so grausam.
„Du kennst mich. Du hast mich immer gekannt.“
Lestat spürte einen Riss in seiner Erinnerung.
Ein Name formte sich auf seinen Lippen.
„Amel.“
Marius keuchte.
Der Geist in der Dunkelheit lächelte nur.
„Endlich hast du mich gefunden.“