Die Dunkelheit schien sich mit der Gestalt zu verweben, die vor ihnen stand. Ihr Haar war schwarz wie eine mondlose Nacht, ihre Haut glatt wie polierter Marmor. Doch es waren ihre Augen, die Lestat erstarren ließen—tief wie das Universum selbst, gefüllt mit etwas Unbeschreiblichem.
Amel.
Er kannte diesen Namen. Nein, er fühlte ihn. Er pulsierte durch sein Blut, war in seine Existenz geätzt, seit er von Magnus verwandelt worden war.
„Das ist unmöglich“, flüsterte Marius.
Amel neigte den Kopf leicht zur Seite, wie eine Katze, die mit ihrer Beute spielte. „Und doch bin ich hier.“
Lestat lachte. Ein bitteres, ungläubiges Lachen. „Verzeih mir, aber du bist nichts weiter als eine Stimme in meiner Erinnerung. Ein Echo des Ursprungs.“
Ein Lächeln huschte über Amels Lippen. „Ach, mein geliebter Lestat, du hast mich immer unterschätzt.“
Der Boden unter ihnen bebte. Die alten römischen Katakomben schienen zu atmen, als würden sie selbst Zeugen dessen werden, was sich hier abspielte.
„Was bist du?“ fragte Marius, sein Ton scharf, misstrauisch.
Amel trat näher. Ihre Bewegungen waren übernatürlich geschmeidig, als ob sie nicht wirklich an diese Welt gebunden wäre.
„Ich war einst nur eine Stimme, ein Flüstern in den Schatten des Blutes, das euch erschaffen hat. Aber Zeiten ändern sich. Kräfte verschieben sich.“
Ihre Finger berührten Lestats Brust, genau dort, wo sein untotes Herz schlug.
„Und du, Lestat, bist mein Schlüssel.“
Blut und Erinnerung
Lestat spürte es sofort.
Eine Welle von Bildern überflutete ihn—Augenblicke aus seiner Vergangenheit, doch fremdartig, als sähe er sie durch andere Augen.
Er sah die ersten Vampire, jene, die Akasha geschaffen hatte. Er sah die Dunkelheit, die durch die Jahrtausende gewandert war, immer suchend, immer lauernd.
Und dann sah er sich selbst.
Amel hatte ihn gewählt.
„Du bist mehr als nur ein Vampir, Lestat“, flüsterte sie. „Du bist das Gefäß.“
Lestat wich zurück, sein Körper bebte unter der Macht ihrer Worte.
„Nein. Ich bin Lestat de Lioncourt. Ich bin nicht dein Spielzeug, nicht deine Marionette.“
Ein leises Lachen. „Oh, aber du warst es immer.“
Plötzlich durchfuhr ein Schmerz seine Adern, als würde sein eigenes Blut ihn verbrennen. Marius packte ihn an den Schultern, hielt ihn aufrecht.
„Lestat! Hör nicht auf sie!“
Doch es war zu spät.
Lestat schrie auf, und mit einem gewaltigen Knall explodierte das Licht um sie herum.
Die Welt versank in Schwärze.
Erwachen im Feuer
Als Lestat wieder zu sich kam, lag er auf kaltem Stein. Sein Körper fühlte sich schwer an, als wäre er mit Blei gefüllt.
Ein Schimmer von Licht—nein, von Feuer—flackerte in der Ferne.
Er versuchte sich zu erinnern. Die Katakomben. Amel. Marius.
Doch etwas fehlte.
Marius.
Lestat richtete sich auf und blickte umher. Der alte Vampir war nirgends zu sehen.
Er war allein.
„Was hast du getan?“ keuchte er, seine Stimme rau.
Amel stand über ihm, ihre Augen glühend.
„Ich habe dir gegeben, was du immer wolltest.“
Lestat sah an sich herunter—und keuchte.
Seine Haut, einst bleich wie Marmor, schimmerte golden, als würde Feuer unter ihr brennen. Seine Finger zitterten, als er sie betrachtete.
Er spürte es. Die Veränderung. Die Macht.
Und dann verstand er.
Er war nicht mehr nur Lestat.
Er war mehr.
Er war das Erwachen selbst.